Caniço de Baixo – Gaula – Aguas Mansas – Camacha – Caniço de Baixo
Es bleiben also etwa zweieinhalb Stunden für eine kurze Tour zum Auftakt, dann wird’s dunkel und bei den Wolken kann das auch etwas schneller gehen, denke ich mir bei einem Blick nach oben. Tobias hat mir für den Zweck eine kurze und relativ „flache“ Stichtour die Küste entlang nach Machico empfohlen. „Flach“ ist gut denke ich bei mir, als ich wenig später die erste “ kleine“ Steigung aus Caniço de Baixo heraus erklimme. Mein erster Eindruck darf später auch verallgemeinert werden: „Flach“ gibt es auf Madeira nicht.
Etwas, das noch am ehesten mit “ flach“ bezeichnet werden kann, findet man oben an der Nordwestküste auf dem Abschnitt von Porto Moniz nach São Vincente und ganz oben auf der Hochebene Paul de Serra. Allerdings heisst die Paul da Serra aber nicht umsonst „Hoch“-Ebene – da muss man eben auch erst mal hoch und alles in allem sind letztlich beide vorgenannten Abschnitte eher kurz. Im Rahmen eine (Tages-)Rundtour gibt es definitiv nichts Flaches und daher sollten eingefleischte „Roulleure“ besser auf dem europäischen Festland bleiben. Anders herum sollten dann aber eben alle, die wie ich ständiges bergauf und bergab lieben, unbedingt auch einmal im Leben in Madeira vorbeischauen. Allerdings müssen auf Madeira eventuell auch viele Festland-Europäer die Begriffe “ bergauf“ und “ bergab“ für sich sicherlich neu definieren. Wer beim Radmarathon Angst vor der einzigen anstehenden 15% Rampe hat, ist Madeira möglicherweise fehl am Platz. Die GPS Daten zu den hier vorgestellten Touren beweisen mir, dass mich der subjektive Eindruck beim fahren nicht getäuscht hat. Teilweise gibt es durchgehende Passagen mit 5 km Länge die eine Durchschnittssteigung von 12% aufweisen. Da sind sehr häufig dann auch Passagen mit 15% und mehr dabei. Auf einer Karte von Madeira sehen solche Strecken immer sehr kurvig. Für die Tourenplanung sollte man sicherlich im Hinterkopf behalten: “ kurvig“ bedeutet hier nichts anderes als “ rauf und runter“ .
Doch zurück zum Prolog: Die ersten 5 km aus Caniço de Baixo heraus zeigen mir gleich wo der berühmte Hammer hängt. Leider ist auch das schlechte Wetter auf’s erste weiterhin mein treuer Begleiter und während ich Richtung Osten entlang der alten Küstenstraße ER204 fahre, kommt gleich noch einmal eine heftige (aber immerhin warme) Dusche von oben. Beim nächsten heftigen Guss, der mich dann in Gaula erwischt, suche ich kurzzeitig Schutz in einem kleinen Bushäuschen. Es ist wohl kein Luxus, dass auf Madeira fast alle Bushaltestellen so ein überdachtes Ding besitzen, sondern einfach nur durchdacht. Aber nicht nur für Berufspendler, sondern auch für Radfahrer sind diese überdachten Bushaltestellen dann gelegentlich praktisch, wenngleich ich sonst nicht aus Zucker bin… Den Regen abwartend packe ich kurzentschlossen die Karte aus und überdenke meine geplante Route noch einmal neu. Linker Hand zeigt von der Bushaltestelle ein Wegweiser die Strasse hoch nach Santo de Serra. Rechts geht es weiter nach Machico entlang der Küste. Die Straße ER 206 hoch nach Santo de Serra verschwindet hinter einigen Häusern in den tief hängenden Wolken. Trotz Regen ist es immer noch recht angenehm warm und außerdem auch noch nicht zu spät. Letztlich ist bergauf radln im Regen bei den Temperaturen nicht so unangenehm denke ich mir und als nach 5 Minuten der Regen etwas nachlässt, ist meine Entscheidung ist gefallen. Die ursprüngliche Planung wird über Bord geworfen und ich setzte mein Trenga De Richtung Santo de Serra in Bewegung. Mal schauen was hier bergauf so abgeht denke ich mir, drücke den Gang nach unten und setzte das Rad die Straße nach oben in Bewegung. Ich bin mal gespannt wo hier das Ende von „oben“ ist. Nach der guten alten Papierkarte sollten es maximal 6 Kilometer sein. Bis auf meine kleinen GPS, der jedoch während der Fahrt immer in meiner Minitasche unter dem Sattel verstaut ist, habe ich den Rest des sonst üblichen Rad-Elektronik-Schnick-Schnack beabsichtigter Weise daheim gelassen. Der kleine Radcomputer an meinem Trenga De gibt gerade mal die Momentangeschwindigkeit und die Tageskilometer her, aber das reicht mir. Ich will hier auf Madeira vor allem Spaß haben und nicht dauernd auf irgendwelche Pulsdaten und Trittfrequenzen schauen. Die sagenhafte Landschaft, die schönen Blumen im Blick und der Duft von Eukalyptus in der Nase das sollte als Motivation für diese Woche vollkommen ausreichen. Einen Pulsmesser brauche ich auch nicht um nach kurzer Zeit dieses Anstiegs zu sagen, wo mein Puls sich momentan denn befindet: ich denke mein Puls ist wie ich auf dem Weg nach oben. Ein GPS ist aber auf jeden Fall extrem nützlich: erstens als Ergänzung zur Papierkarte (siehe “ allgemeine Infos“) und zweitens zeichnet der auch Geschwindigkeiten, Höhenprofile und Strecken auf. Im Moment aber brauche ich gar keine Elektronik, die mir in, wie steil es denn hier ist. Es ist schlicht gesagt sausteil und zwar andauernd. Ich lasse es langsam angehen, während immer wieder ein kurzer Schauer runterkommt. Alles halb so schlimm. Auf ca. 700 m Höhe befinde ich mich wie von Tobias vorhergesagt mitten in den Wolken und nach 6 km bergauf erreiche ich den Weiler Aguas Mansas. Links geht es jetzt auf der ER 102 weiter Richtung Camacha und damit auch zurück nach Caniço. Die Auswertung der GPS Daten bestätigt später das Fahrgefühl für diesen ersten sehr knackigen Anstieg von Gaula nach Aguas Mansas: Von ca. 100 Höhenmetern bei Gaula schlängelt sich die Straße auf 700 Höhenmeter bei der Abzweigung nach Camacha in gerade einmal 6 km. Durchschnittliche Steigung also 10 %. Wer am Berg trainieren will ist hier absolut richtig ! Ein weiteres, kurzes bergauf-bergab Intermezzo folgt auf dem Weg nach Camacha. An einem Kreisverkehr stellt sich dann zum ersten Mal die Frage „wo geht’s hier bitte nach Caniço ?“. Der Frageteil “ wo geht’s hier bitte nach…“ wiederholt sich an anderen Stellen ein paar mal in dieser Woche. An besagtem Kreisverkehr unterläuft mir der erste Fehler und daher ein allgemeiner Tipp für alle Rennradler: lieber einmal mehr anhalten und genau schauen wo es langgeht. Die Beschilderung auf Madeira ist für Radler gesehen leider oftmals absolut miserabel. Da es aber auf Madeira so wenig Radler gibt ist das auch irgendwie verständlich… Das Problem eines kleinen Verfahreres ist aber offensichtlich bei einer derart bergigen Insel: Verfahren kann recht fatal sein, auch wenn man sich nur sehr kurz verfährt. Entweder alles zurück oder auf einer Alternativstrecke einen „kleinen Pass“ mehr. Das können aber dann so oder so schnell mal 500 Höhenmeter mehr werden. Kleiner Trost: richtig verirren kann man sich aber auf Madeira trotz eines Verfahrers nicht – dazu ist die Insel dann doch zu klein. Zurück zu meinem Kreisverkehr. Da es nach Caniço wieder runter gehen muss, entscheide ich am mich für die Abfahrt nach unten. Falsch! Kurz nach dem Kreisverkehr geht es in einen Tunnel. Dann kommt noch ein Tunnel. Im rasenden Tempo geht’s durch beide Tunnel ca. 11 % runter, doch bereits nach dem ersten Tunnel bin ich mir sicher: das war’s nicht am Kreisverkehr! Nach dem zweiten Tunnel halte ich und werfe einen erneuten Blick auf die Karte und den GPS. Völlig daneben! Die Straße ist auf der Karte als „noch im Bau befindlich“ eingezeichnet und führt nicht direkt nach Funchal, was ca. 20 km von meinem Ziel entfernt liegt. Wohl gemerkt: die Karte habe ich eine Woche vorher neu gekauft. Nach dem dritten Tunnel kommt dann endlich eine Abfahrt. Erneute Orientierung. Caniço ist zwar nicht klein, aber wieder steht der Ort hier nirgends angeschrieben und auf der anderen Seite stehen die angeschriebenen Orte nicht auf meiner Karte. Was zu beweisen war: Die Baedeker Karte ist zwar in der Detaillierung zwar recht gut (Maßstab 1:75000), aber mit ihrer Nützlichkeit für Radler hapert es doch manchmal sehr. Der Grund: einige Orte stehen einfach nicht so drauf, wie sie in Madeira dann tatsächlich angegeben sind. Schwacher Trost: nach Auskunft von Tobias sind einheimische Karten auch nicht unbedingt besser. Hier gilt es nachzubessern liebe Verleger… Dank GPS konnte ich mich an der Stelle dann doch ganz einfach richtig entscheiden. Ein Mindestmaß an Orientierung kann aber trotz Karte und GPS nie schaden, wenn man nicht ständig anhalten und nachschauen möchte. Und wer will schon ständig anhalten, wenn er gerade schön in Fahrt ist und seinen Rhythmus gefunden hat. Der kleine Verfahrer kostet mich in diesem Fall glücklicherweise nur ca. 150 Höhenmeter extra. Kurz nach Sonnenuntergang, aber noch in der Dämmerung, erreiche ich nach ca. 2 Sunden meine Pension. Im Dunkeln fahren habe ich während der ganzen Woche übrigens nicht ausprobiert. Meine Gefühl sagt mir: sein lassen ! Auch wenn die Autofahrer tagsüber auf Madeira recht gut mit Radlern umgehen, würde ich das so nicht einfach 1:1 auf die Nacht übertragen. Wer rechnet auf dieser Insel schon in der Nacht mit Radfahrern, wenn schon tagsüber kaum ein Vertreter dieser Spezies zu sehen ist. Mein erster Eindruck nach dieser kurzen Runde ist, trotz des Regens sehr gut, und das auch weil es hier mitten im Winter recht warm ist und sicherlich bald besser wird. Beim Wetter ist positiv denken auf Madeira sicherlich angebracht, denn auch wenn es mal schlecht ist sollte man hier nicht allzu oft mit hartnäckigen Tiefs rechnen. Ausbaufähig bei Entfernung und vor allem bei den Höhenmetern ist das Ganze ja dann die kommenden Tage auch noch, obwohl schon so eine kleine Abendrunde recht knackig ist: auf die knapp 31 km kommen hier mal eben satte 1200 Höhenmeter bergauf zusammen. Ein kurze Dusche, ein tolles und üppiges Abendessen bei Klenk’s Café und dann falle ich ins Bett. Draußen auf dem Atlantik blitzt es und wieder mal geht ein Regenschauer runter. Abwarten denke ich. Mal schauen, was der nächste Tag bringen wird…
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