Schwägalp Appenzell: klein, fein und gemein
Klein: flächenmäßig trifft das auf die beiden Appenzeller Kantone Inner- und Ausserrhoden sicherlich zu.
Fein: Wegen der netten Menschen und der wunderschönen Landschaft auch sicher ein Volltreffer.
Aber gemein? Hinsichtlich der vielen fiesen, giftigen Steigungen auf jeden Fall!…
…. Andererseits wäre die Landschaft im Appenzell ohne das dauerhafte auf und ab auch nur halb so schön. Also Augen auf, mittendurch und im nächsten Anstieg die Natur in vollen Zügen mit brennenden Oberschenkel genießen. Und außerdem geht es ja anschließend wieder bergab.
Die Tour an diesem Tag ist ein wahrer Hochgenuss. Traumwetter in diesem angeblich viel zu heißen April 2018. Ich mache gute Miene zu diesem viel zu warmen und trockenen Wetter und freue mich trotzdem. Wetten der Sommer 2018 wird wieder viel zu kalt und feucht. Dann freut man sich halt mal über einen genialen April.
Es ist ein stinknormaler Donnerstag (einfach mal freinehmen) und daher gehört die Straße mir. Der Streckenteil von Ravensburg nach Altstätten eignet sich super zum Einrollen mit langem Anlauf: Ein paar harmlose Hügel zum Aufwärmen. Atemberaubendes Panorama auf den Bodensee und das Massiv um den Säntis bei klarer Luft. Leicht verschneite Berge leuchten in der Sonne mit den weiß blühenden Obstbäumen um die Wette. È fantastico!
Ab Lindau wird’s dann komplett flach bis Altstätten. Die höchsten Erhebungen sind ein paar Bordsteinkanten. Leider sind es ein paar zu viel. Und so schön Bregenz als Ort auch sein mag, zum durchfahren mit dem Rad ist es nicht gerade ein Highlight. Immer wieder ein Drama bis man da durch ist und dann auch noch der immense Verkehr.
Bei Fußach ist hat das Leiden im Verkehrschaos dann endlich ein Ende. Es geht links auf den Radweg entlang des Rheins. Und es ward Stille und Ruhe………………….
Und die Welt ist wieder in Ordnung 😊. Gleichzeitig fliege ich vom leichten Rückenwind getrieben entspannt auf den folgenden flachen Kilometern nach Altstätten. Achtung bei Föhnlage ist der Steckenteil kein Vergnügen denke ich 😉.
Eine kleine Runde durch den schönen Stadtkern von Altstätten loht in jedem Fall. Leider erscheint es mitten unter der Woche um Mittag etwas ausgestorben. Fehlen nur noch die Stohballen, die vom Wind getrieben durch die verwaisten Gassen fliegen. Gar nicht so einfach hier und jetzt ein nettes Café zu finden. Letztendlich bin ich aber doch erfolgreich. Mit 2 Café Crème und 1 Stück Kuchen im Bauch geht es hinein in die erste Steigung bei Eichberg. Direkt von Altstätten kann man natürlich auf der Hautstraße hoch nach Appenzell fahren. Ich persönlich finde die kleine Straße von Eichberg aus aber sympathischer (weniger Verkehr) und reizvoller, auf keinen Fall aber anspruchsloser. Ganz im Gegenteil. Für die Abfahrt von Appenzell nach Altstätten dagegen würde ich die Hauptstraße bevorzugen. Das rollt voll genial!
Verpflegung war gerade, also lasse ich das malerische Appenzell heute schnell hinter mir und nehme direkt Kurs auf die Schwägalp über Urnäsch. Wegweiser ist der Säntis – unübersehbar von allen Punkten. Verfahren ist auch ohne Navi ausgeschlossen. Eine letzte Verpflegung mit Silserli und Nußecke bei Jakobsbad. Das soll’s gewesen sein bis zum Ziel in Romanshorn. Der richtige Anstieg beginnt einige Kilometer hinter Urnäsch. Belohnt werde ich für die Anstrengung mit immer wieder grandiosen Blicken auf die Nordwand des Säntis vor mir. Absolut beeindruckend der Anblick. Mit Fotos wollte ich mich heute eigentlich zurückhalten. Einfach mal nur fahren. Aber hier muss ich einfach ab und zu und ein paar Mal mehr anhalten und knipsen. „Ich sollte doch endlich mal das GoPro Teil benutzen“ denke ich mir, während mir der erste Schweiß die Stirn runterläuft.
Nach ein paar weiteren Kehren ist es geschafft: 1300 Höhenmeter, die Schwägalp. Und da es wie gesagt Donnerstag ist, ist hier absolut nix los. Keine Busse, keine Blechlawine, keine Menschmassen. Dafür aber umso beachtenswerter: einige Schlittenhund-Gespanne nutzen letzte Reste schneereichen Winters hier oben um zu trainieren. Ein skurriler Anblick bei fast 20 °C. Viel ist aber auch auf der Passhöhe nicht übrig von der weißen Pracht des schneereichen Winters 2017/2018. Für mich ist das hier und heute auch gut so.
Eine rasante Abfahrt führt hinunter nach Neu Sankt Johann. Jetzt sollte es nur noch entspannt mit 2 kleinen Hügeln über Herisau nach Romanshorn zur Fähre gehen. Pustekuchen! Entspannt ist anders. Ich muss mir das Streckenprofil nächstes Mal genauer anschauen. Die kleinen Hügel entpuppen sich als enorm giftig und anspruchsvoll. Vor allem bereits der erste „Hügel“ hoch nach Hemberg gibt alles um mir den Saft aus den Beinen zu ziehen. Gleiches gilt für den nächsten „Hügel“ von Sankt Peterszell nach Schwellbrunn. An der Stelle aber auch gleich der Hinweis: es gibt vielleicht einfachere Varianten nach Romanshorn, ich wage aber zu bezweifeln, dass die Strecken genau so schön sind. Der Abschnitt zieht sich auf diese Weise zwar, aber das war für mich der gefühlt schönste Teil dieser Tour.
Kleiner Wermutstropfen: Um ein Haar verpasse ich die Fähre nach Friedrichshafen. Ich sehe gerade noch das Heck des Schiffs aus dem Hafen gleiten. Mein schlechtes Zeitmanagement verhilft mir so aber noch zu einem entspannten Café Crème mit Aprikosen-Wähe im Hafenrestaurant. Nicht immer ist es ein Nachteil ein schlechtes Zeitmanagement zu haben. Und heute ist das Glück auf meiner Seite, denn es geht noch genau die letzte Fähre des Tages eine Stunde später.
Die restliche Arbeit für die Rückfahrt bis Ravensburg überlasse ich der Fähre ab Romanshorn und dem Zug ab Friedrichshafen, denn als mein Schiff ablegt ist die Sonne bereits untergegangen. Ravensburg erreiche ich kurze Zeit später schon wieder so erholt, dass ich gleich wieder auf’s Neue losfahren könnte. Kleines Problem am Rande: morgen ist Freitag und ich muss wieder arbeiten. Also: À la prochain jeudi – bis zum nächsten (freien) Donnerstag.