Judenburg – Graz
Auf geht’s zur letzten Etappe von Judenburg nach Graz und damit zum Ausgangspunkt von Peakbreak 2008. Start ist um 9 Uhr, doch vorher ist Fotoshooting vor dem Puchmuseum angesagt. Dass hierbei alle Teilnehmer auf ein Foto unter dem Festina-Startbogen passen sagt nur etwas über die Grösse des Teilnehmerfeldes aus, aber nichts über den Charakter der Veranstaltung. Peakbreak 2008 hatte mit 31 Teilnehmern sicherlich familiären Charakter, aber hier wurde vor allem Radrennen gefahren und zwar auf allen Leistungsniveaus. Dass man nach einer Woche jeden Teilnehmer mit Namen kennt ist ein kleiner, angenehmer Nebeneffekt. Und eines ist damit auch klar: wenn es im kommenden Jahr ein paar Teilnehmer mehr gibt und die Veranstalter das organisatorische Niveau aus dem ersten Jahr gleichzeitig halten oder verbessern können, wird Peakbreak 2009 zu dem Tour-Event für Jedermann schlechthin.
Unmittelbar nach dem Gruppenfoto fällt praktisch bereits der Startschuss. Die letzte Etappe ist mit 181 km eigentlich fast so lang wie die 5. Etappe. Das Profil sieht im ersten Moment etwas einfacher aus als für die 5. Etappe, da mit dem Klippitztörl und dem Packsattel scheinbar nur zwei Anstiege anstehen. Der Rest sieht einfach nur wellig aus, aber genau das täuscht. Tatsächlich weist diese Etappe gegenüber der 5. Etappe mit 2740 Höhenmetern 200 zusätzliche Höhenmeter auf. Dabei ist das östlich von Judenburg gelegene Graz eigentlich gar nicht so weit entfernt. Vorbei am Plankogel auf der B77 und B70 wäre man womöglich in 2 Stunden bereits am Ziel. Nur, wer will das schon, auf der kürzesten Route entlang zum Ziel. Man will schnell zum Ziel, das ja, aber eben auf der schönsten und herausforderndsten Strecke. Also verläuft diese Etappe zunächst vom Ziel weg in entgegengesetzter Richtung nach Westen um dann im weiten Bogen auf die Zielgerade in Graz zu führen. Nach 7 Stunden am heutigen Tag steht für mich dann absolut fest, dass diese letzte Etappe beide Kriterien – schön und herausfordernd – absolut voll erfüllt. Und das nicht nur wegen dem Klippitztörl und dem Packsattel. Auch die finalen 40 km der Strecke sind wirklich mit Verstand gewählt, auch wenn dann jeder der letzten drei kleinen Anstiege in den Oberschenkeln brennt.
Obwohl der erste Abschnitt des Tages aus Judenburg heraus und entlang der Mur bis Scheifling sehr flach verläuft, herrscht erst einmal ein eher gemächliches Tempo in der ersten Stunde. Und auch nachdem das Rennen bei Scheifling freigegeben wird, bricht an den beiden ersten kleineren Anstiegen des Tages zum Perchauer Sattel und Hitzmannsdorf keine Hektik aus. Keiner fühlt sich berufen hier schon anzugreifen und damit bleibt das Feld bis Kilometer 62 hinter Hüttenberg komplett zusammen. Mit einer scharfen Linkskurve von der Bundesstraße 92 auf die kleine Landstraße 91 wird zwar die Landschaft beschaulicher, aber jetzt bleibt keine Zeit das zu genießen, denn genau in diesem Moment beginnt der 14 km lange Anstieg zum 1636 m hohen Klippitztörl. Und genau im gleichen Moment beginnt auch das Rennen. Sofort wird vorne attackiert und das eben noch so einträchtig gemeinsam rollende Feld fliegt in mehr oder minder kleinen Grüppchen und Einzelkämpfer auseinander. Die üblichen Verdächtigen Joa, Markus und Christoph jagen vorne weg. Ihrem Tempo kann bereits in dieser frühen Phase des Rennens und vor allem bei den tropischen Temperaturen keiner folgen. Die ersten 5 km des Anstiegs zum Klippitztörl leisten mit etwa 4 % nicht nur geringen Widerstand, sondern eigen sich wie bereits der Pass Thurn super um Selbstvertrauen aufzubauen. Klar ich fahre hier wieder nur im hinteren Mittelfeld, aber ein 19er Schnitt auf den ersten 5 Kilometern, das baut schon mal auf. Bei immer noch 27 °C im Schatten baut sich nach 66 km dann aber schließlich doch eine 1 km lange Rampe mit 11 % vor mir auf und schnell ist es aus mit der anfänglichen Herrlichkeit. Jetzt heißt es beißen und kämpfen. Der Anstieg durch die Nadelwälder hoch zur Passhöhe beginnt jetzt sich zu ziehen, auch wenn die restlichen 8 Kilometer mit durchschnittlich 8 % eher eine moderate Steigung aufweisen. In diesem Moment bin auch ich als ausgesprochener Fan der Hitze wirklich ausnahmsweise einmal dankbar für jedes Grad Celsius, das es mit zunehmender Höhe kälter wird. Die eher kühlen 17°C oben auf der Passhöhe sehe ich weniger als Problem an, als die grauen Wolken, die sich mittlerweile oben am Himmel versammelt haben. Vom azurblauen Himmel des Vormittags ist hier oben fast nichts mehr zu sehen.
Es riecht in diesem Moment schon förmlich nach Regen. Meine unausgesprochene Bitte, es möge doch nicht auf der folgenden 20 km langen Abfahrt regnen, wird von irgendwo erhört und so kann ich es zusammen mit ein paar anderen bis Twimberg noch einmal so richtig krachen lassen. Die Fahrer hinter uns haben weniger Glück, wie ich später erfahren werde. Sie erwischt der erste Schauer, der mich erst im Anstieg zum Packsattel erwischt bereits auf der Abfahrt vom Klippitztörl. Regen hin oder her, auf den letzten 95 km die ab Twimberg noch anstehen kann mich das bisschen Regen jetzt auch nicht mehr schrecken. Schade ist der Wetterumschwung einzig und allein mit Blick auf die Abfahrt herunter vom Packsattel. Allerdings stört mich der Regen jetzt im Anstieg zum Packsattel erst einmal gar nicht. Die Abkühlung von oben ist hier wirklich willkommen und von einer echten Abkühlung kann selbst ich angesichts von 20°C immer noch nicht sprechen. Das meiste Nass auf meiner Haut ist immer noch Schweiß und nicht Regen. Der Packsattel ist das letzte große Hindernis zwischen mir und dem Ziel in Graz. Die drei kleinen Buckel dahinter interessieren mich zu diesem Zeitpunkt schon kaum mehr. Der Einstieg zum Packsattel bis Waldenstein ist wirklich harmlos. Dann schwingt sich die Strasse in zwei weiten Kehren aus dem Tal heraus. Die jetzt folgenden 5 km im Mittelteil des Anstiegs bis Preitenegg gehören sicherlich nicht zu den steilsten der Rundfahrt, aber irgendwie fehlt mir nach einer Woche und über 900 km schon die anfängliche Spritzigkeit. Interessant ist aber, dass man einfach fährt und fährt – fast schon wie magisch vom Ziel angezogen. Die landschaftlichen Eindrücke nehme ich nach dieser anstrengenden Woche irgendwie nicht mehr so klar wahr, wie zu Beginn des Rennens. Nicht nur meine Energiereserven, sondern auch der Kopf ist irgendwie etwas leer. Die Beine sind schwer, aber ich fahre und fahre einfach. Diese Woche Peakbreak hat körperlich und von meiner Willensstärke echt viel von mir gefordert und mich einige Male an die Grenzen meiner Leistungsfähigkeit gebracht. Das geniale ist aber, dass es mir in diesem Moment trotz aller Anstrengungen immer noch genauso viel Spass macht hier mitzufahren wie zu Beginn. Das Ziel liegt hinter diesem Anstieg zum Greifen nahe. Als sich die Strasse hinter Pack schließlich endgültig Richtung Tal neigt, heisst es eigentlich nur noch wachsam bleiben, jetzt keinen Sturz mehr riskieren. Ansonsten ist das was jetzt noch folgt Genuss pur. Erst einmal heisst es das Rad einfach laufen lassen auf den 30 Kilometer mehr oder weniger durchgehender Abfahrt bis Bärnbach. Das kurz vor Bärnbach liegende Lipizzanergestüt in Piber, sowie die wunderschöne Stadtpfarrkirche “ Sankt Barbara“ , gestaltet von Hundertwasser, nehme ich während des Rennens gar nicht wahr. Erst ein paar Wochen später nehme ich mir Zeit, auch diese Sachen anzuschauen. Ich kann nur sagen dass es sich lohnt mal vorbeizuschauen – wenn man nicht gerade im „Rennstress“ ist…
Die letzten 40 km nach Graz sind dann von der Streckenwahl aus meiner Sicht noch einmal ein echtes „Zuckerl“ zum Abschluss. Abseits der Hauptverkehrswege findet die Schleife von Peakbreak schliesslich zurück nach Graz. Drei kurze und knackige Anstiege hoch nach Schrott, St. Bartholomä und Steinberg, die dabei noch zu bewältigen sind, versetzen letzte Nadelstiche. Auf der letzten Abfahrt runter nach Graz ist die Strasse noch nass vom letzten Regenschauer und in den engen Kurven lasse ich jetzt wirklich nichts mehr anbrennen. Wie ich später im Ziel erfahre stürzt Joa Weber, in einer dieser Kurven. Zum Glück verletzt er sich nur leicht und gewinnt die Etappe letztlich sogar vor Markus und Christoph. Bemerkenswert an diesem Sturz ist, dass dies der einige Sturz innerhalb einer Woche ist. Ein harmloser Sturz bei 31 Teilnehmern in einem Radrennen. Der eine mag unken und sagen, da ist ja für ein Radrennen nicht richtig gefahren worden. Ich würde einfach einmal sagen: eine tolle Bilanz für den Veranstalter, für die Streckensicherung – nochmal ein großer Dank das Team der cbca – aber auch an die Vernunft aller Teilnehmer.
Eine kleine Gruppe von 6 Fahrern, ich mittendrin, biegt nach fast 7 Stunden auf die Zielgerade vor dem Eggenberger Schloss ein. Fast gemeinsam rollen wir über die Ziellinie. Hier sind wir vor einer Woche gemeinsam gestartet und nun endet Peakbreak 2008 für mich nach 38 Stunden 53 Minuten und 32 Sekunden für die insgesamt zu bewältigenden 7 Etappen, 1000 Kilometer und 18000 Höhenmeter. In diesem Moment ist aber die Zeit völlig unwichtig. Entscheidend ist für mich in diesem Moment nur, es geschafft zu haben. Das war mein Ziel für dieses Rennen und das habe ich ohne Zweifel geschafft. Ich bin offensichtlich nicht der einzige, der sein Ziel erreicht hat. In diesen Momenten sehe ich nur in glückliche Gesichter – lachend oder weinend. Klar, am Abend bei der Siegerparty stand nur einer ganz oben auf dem Treppchen, Joa Weber. Verlierer habe ich bei Peakbreak aber an diesem Abend keine gesehen.
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